Frau Ebners scharfer Blick


Um Raritäten reparieren zu können, braucht man auch rare Ersatzteile. Diese sucht Sandro Bösch in der ganzen Schweiz, und er übernimmt immer wieder ganze Inventare alter Uhrengeschäfte. Ob sich der Kauf eines Inventars jeweils gelohnt hat, darüber befindet bei Zeit Zone Zürich eine Expertin mit über 60 Jahren Berufserfahrung.

Der Anruf kommt aus St. Moritz. Der verstorbene Vater hatte ein Uhrengeschäft. Das ganze Inventar war für die Hinterbliebenen zwar unbrauchbar, aber irgendwie doch zu schön, um es fortzuwerfen. Seit zwanzig Jahren stapelt sich dieses nun im Keller. Nun braucht man den Platz. Die Schrauben, Zangen und Instrumente müssen weg. Sandro Bösch freut sich über solche Anrufe: «Alte Inventare mögen für andere wertlos sein, für uns sind sie wahre Fundgruben. Es finden sich oft Allgemeinwerkzeuge, die man einem Lernenden mitgeben kann, aber immer wieder auch Ersatzeile, die wir für endgültig verloren hielten.» Für viele Verkäufer ist es auch schön, zu sehen, dass die Werkzeuge in den Händen von kompetenten Uhrmachern weiterleben. «Die eingelagerten Dinge erzählen viel über den früheren Besitzer.

Die Kompetenz des St. Moritzer Uhrmachers lag vor allem im Bereich der Gravur, wie die vielen alten Skiabzeichen und Pins für den örtlichen Bob- und Skiclub belegen. Aber auch interessante Uhrwerke, Gehäuse und Zifferblätter, die er offenbar selbst zu Uhren zusammensetzte, sind stumme Zeugen seiner Fähigkeiten.»

Bei einer anderen Inventarübernahme fand Sandro Bösch eine spezielle Zahnstange zum Wiederaufzug einer MovadoErmeto, die sich durch auf- und zuschieben aufziehen lässt. «Dieses Teil lag einfach so da und hatte in diesem Moment keinerlei Wert. Vier Jahre später brachte uns jemand eine Ermeto-Uhr, deren Aufzugsmechanik niemand sonst in der Schweiz mehr reparieren konnte. Und so machten wir mit diesem kleinen Teil vier Jahre später einen Kunden überglücklich», freut sich Sandro Bösch.

Die gesammelten Teile kommen am Kreuzplatz in die guten Hände einer Dame mit scharfem Blick: Margot Ebner sortiert bei Zeit Zone Zürich die Einzelteile mitgrösster Sorgfalt ein. Sie ist gelernte Uhrmacherin, arbeitete 28 Jahre als Fournituristin und ist auch mit fast 80 Jahren noch Meisterin ihres Fachs. So freut es den Geschäftsführer besonders, wenn Frau Ebner sich einen präzisen Überblick zu neu eingetroffenem Inventar verschafft und zum Schluss kommt: «Herr Bösch, da haben Sie etwas sehr Gutes gekauft.»