Mikrokosmos – Uhrmacher zum selber erleben


8.45, ich klingle an der gepanzerten Tür der Zeit Zone Zürich. Eigentlich werde ich um 9.00 erwartet, um eine Uhr komplett zu zerlegen und zu montieren. Ich bringe Gipfelis für die Zeit Zone Crew, als Dankeschön das ich etwas Farbe in die Alltagsroutien bringen darf.

Eine immerwährende Frage wird bald beantwortet:“Wäre ich fähig meine Feinmotorik, meine Geduld, meine Ruhe im Griff zu haben?“

Ich bin ziemlich gespannt, fast wie vor einen wichtigen Bühnenauftritt…

Um 9.00 Uhr trifft sich das Team für ein Tages – Briefing. Jede und jeder ist informiert über alles was läuft, sei es Kundenbetreuung, wichtige Aufgaben oder Abgabetermine, Offerten und Reparaturprobleme, welche im Plenum besprochen werden. Die Arbeiten werden verteilt.

Die Stimmung scheint entspannt aber alle sind aufmerksam. Alles wird auf Computer protokolliert. Chantal wird meine heutige Betreuerin sein. Ich bekomme eine weisse Bluse und prompt sitze ich am Arbeitstisch…Mit viel Geduld und Klarheit erklärt mir Chantal alle verschiedene Etappen die nötig sind um eine Uhr zu zerlegen. Ich tauche in eine andere Dimension. Ich vergesse alles…Ich brauche vor allem 2 Werkzeuge: die Pincette und Schraubenzieher verschiedener Grösse. Jeder Hautkontakt mit dem Uhrwerk ist tabu. Fingerlinge aus Latex verhindern eine Verewigung meiner DNA auf dem Uhrwerk . Die Uhrmacher Lupe ist etwas Gewohnheitsbedürftig: bis man ein Gefühl von Distanz kriegt dauert es schon eine Weile! Ich fühle mich so ungeschickt (ein bisschen wie wenn ich Geige mit Boxhandschuhe spielen würde)! Chantal hingegen beherrscht ihr Handwerk souverän: ohne Lupe ist sie fähig, mir alle winzigsten Komponenten zu zeigen oder an den kleinsten Rubin zu manipulieren. Ich fühle die Pincette immer besser, meine Bewegungen werden effizienter…

Vor der Mittagspause, habe ich -mit Chantals Hilfe- die Uhr demontiert, inklusive Unruhe mit Spirale (ein Erlebnis, die Kraft die drin steckt physisch zu spüren!).Die Zeit ist so schnell gelaufen! Alle Teile sind in runde Gitterkörbe verteilt und werden in der Ultraschallmaschine während der Mittagspause gereinigt.

Nach dem Mittagessen, muss ich alle Komponenten wieder zusammen bringen. Ich staune: eigentlich merke ich relativ leicht „wo was hingehört“! Ich werde langsam müde, Augen, Schulter, Arme sogar Finger zeigen Zeichen von Müdigkeit. Mein „Pincettengefühl“ lässt nach…

Peu à peu sind alle Komponenten wieder zusammengestellt. Einzig das Federhaus montiert Chantal persönlich: es ist eine Arbeit die besser von einer Fachperson ausgeführt wird.

Eine entscheidende Etappe ist das Schmieren und Oelen der Uhr. Nie hätte ich gedacht dass es soviel Feingefühl und Genauigkeit verlangt! 4 bis 6 verschiedene Öle oder Fette sind da nötig…Zu wenig oder zuviel könnte gravierende Folgen auf das Uhrwerk haben.(Auch da hilft mir Chantal einige heikle Stellen zu ölen, ein Oel gewählt das nicht die Schmiereigenschaft hat, die es braucht, bringt die Uhr nach einigen Tagen zum Stillstand!)

Auch die Zeiger (Uhren, Minuten und Sekunden) richtig zu positionieren braucht Feingefühl und ein gutes Auge! 18.00. Bald ist die Uhr fertig montiert mit weissem, schlichtem Zifferblatt.(Bewusst verzichte ich auf eine Markierung mit permanent schwarzen Filzstift. Pur muss es sein!). Sandro Bösch wünscht von Florian Ganz, sein Atelierchef, dass er mir das bläuen einer Schraube mittels Bunsenbrenner beibringt. Verblüffend wie der Stahl sich langsam verfärbt von grau, gelb, violet und zum Schluss dunkelblau. Verpasst man den Slot, wird alles wieder grau, und wieder muss man die Schraube sorgfältig polieren, und dann heizen…

18.40. Die Uhr, MEINE Uhr ist fertig.

Komplett erschöpft und gleichzeitig überglücklich gebe ich meine Uhrmacherbluse zurück.

Was für ein Erlebnis! Ab jetzt sehe ich die Arbeit eines Uhrmachers mit anderen Augen. Ich ahnte nicht was für einen Vielfalt an Eigenschaften, Kompetenzen und Wissen dieser Beruf abverlangt.

Ich bin dankbar für diese einmalige Gelegenheit, einen Blick auf diesen faszinierenden Beruf – wo Kunst, Wissenschaft, Tradition, Innovation und Kreativität aufeinander treffen- bekommen zu haben!

Marc Luisoni 50,

Ich wäre so gern Jagdpilot geworden, bin seit 25 Jahren Geiger im Tonhalle Orchester Zürich. Ausser der Musik liebe ich Skifahren, Faltboot und mit meinem Motorrad auf reisen zu gehen.